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Nachhaltiges Wickelprogramm /Eine Tonne Müll und 1000 Euro sparen: Spricht sonst noch etwas für Stoffwindeln?
Waschbare Babywindeln auf dem Prüfstand: Warum sowohl der Kostenfaktor als auch Ökobilanz und Bequemlichkeit für die modernen „Stoffis“ sprechen und das alles nichts mit alten Mullwindeln zu tun hat.
Von Daniela Bachal | 06.00 Uhr, 13. Oktober 2021
Sie sind pflegeleicht, bunt und trendig und kommen als „Höschenwindeln“ daher – mit den alten quadratischen Mullwindeln haben sie rein gar nichts mehr zu tun, die modernen „Stoffis“: Eltern müssen schon längst keine Ökofanatiker mehr sein, um sich für Stoffwindeln für ihr Baby zu entscheiden. Auch die Kostenersparnis von rund 1000 Euro gegenüber Wegwerfwindeln ist ein eindrucksvolles Argument für waschbare Windeln. Das Problem dabei ist nur: „Die Stoffis sind trotz jahrzehntelanger Aufklärungsarbeit noch immer weithin unbekannt, bei Stoffwindeln haben die meisten immer noch einen eckigen Stofffetzen vor Augen, den man auskochen muss“, beschreibt Barbara Mayer die Situation. Sie arbeitet seit 2012 als Stoffwindelberaterin (markenunabhängig) und betreibt in Niederösterreich einen Shop für „ökologischen Babybedarf“.
Wenn Zahlen sprechen:
- Eine Tonne Wegwerfwindeln hinterlässt ein Baby bei durchschnittlich 5 Wickelvorgängen pro Tag binnen drei Jahren. Der Müll wird deponiert oder in Verbrennungsanlagen mit hohem Energieaufwand (Nassmüll!) verbrannt.
- 450 bis 600 Euro kosten Stoffwindeln im Schnitt für ein Baby für die gesamte Wickelperiode – samt Waschkosten, inklusive Förderung. Für Wegwerfwindeln (samt Entsorgungskosten) zahlen Eltern im Schnitt insgesamt 1100 bis 1900 Euro pro Kind.
- 1000 Euro sparen sich Eltern im Schnitt, wenn sie Stoffwindeln statt Wegwerfwindeln verwenden. Die Windeln können oft noch für ein zweites Kind verwendet werden.
Zu den Waschkosten: Für moderne Stoffwindeln reicht die 40- bis 60-Grad-Wäsche – Wäschetrockner sollte man sich generell sparen. Der größte Fehler, den Eltern ihrer Meinung nach bei der Wahl von Windeln machen?
„Sie lassen sich von den gängigen Meinungen über Mullwindeln abschrecken.“ Der zweite Fehler: „Sie kaufen nach eigener Internetrecherche große Stoffwindel-Starterpakete – ohne sich vorher von einer Stoffwindelberaterin die verschiedenen Systeme zeigen und erklären zu lassen – und sind damit dann nicht zufrieden.“
Merke: Das eine richtige Stoffwindelsystem gibt es ebenso wenig wie das perfekte Auto für alle. Im deutschsprachigen Raum werden laut Mayer mittlerweile rund 25 Stoffwindelmarken angeboten. Was den Unterschied ausmacht, erklärt die Fachfrau so: „Der Klassiker ist ein Zwei-Höschen-System: innen eine Saugwindel, die den Urin und den Stuhl auffängt, und darüber eine Nässeschutzhose. Für den Stuhl steht ein Wegwerf-Vlies zur Verfügung, es gibt aber auch waschbare Alternativen.“
Windelgutscheine: Viele Gemeinden, Abfallwirtschaftsverbände, Länder und Händler fördern den Kauf von Stoffwindeln mit Windelgutscheinen. In der Steiermark einfach bei der Gemeinde oder beim jeweils zuständigen Abfallverband nachfragen. Die Beträge variieren je nach Bezirk/Gemeinde. In Kärnten gibt es keine Windelgutscheine, aber trotzdem eine Förderung. Hier geht es zu den Details Informationen zu Stoffwindeln und eine Liste von Stoffwindelberaterinnen gibt es beim Verein WiWa: verein-wiwa.at
Für Eltern, die ein dicker „Windelpopo“ bei ihrem Baby stört, empfehle sich hingegen eher ein Einlagensystem: „In die Nässeschutzhose kommt hier statt einer Windel nur eine waschbare Einlage, die man mit einem Knopf oder Klettverschluss befestigen kann.“ Das Einlagensystem hat freilich weniger Saugvermögen, anders gesagt: Ein längeres Wickelintervall bedingt einen „dickeren“, frisch gewickelten Babypopo.
„Mit Stoffwindeln sind Kinder automatisch breiter gewickelt, was jeder Kinderarzt empfiehlt.“ Barbara Mayer
Dann kommt noch die Materialfrage. Mayer: „Wenn Eltern gewissermaßen plastikfrei wickeln wollen, kann man über Überhosen aus imprägnierter Wolle sprechen.“ Die Überhose heißt jedenfalls nicht von ungefähr Nässeschutzhose: Was früher eine „Plastikhose“ war, ist heute „ein buntes, atmungsaktives, polyurethanbeschichtetes Hightechhöschen“, wie Mayer erklärt. Bei den Saugwindeln ist Baumwolle nach wie vor das häufigste Material, „dicht gefolgt von Bambusviskose als Kunstfaser mit natürlichem Ursprung“, sagt Mayer. Der Unterschied? „Baumwolle ist unser alter Büffel, der Wasch- und Lagerungsfehler verzeiht, während Bambus zwar mehr saugt, sonst aber eher eine „Zicke“ ist: Bambusviskose sollte man jeden zweiten Tag waschen, weil sie empfindlicher auf den Urinstoff reagiert. Preislich ist Bambusviskose eine Spur billiger.“ Das größte Problem bei Stoffwindeln: Früher gab es Mamas und Tanten, die Jung-Müttern das Wickeln beigebracht haben, die kennen aber nur die alten Windeln. Es ist meistens niemand da, der jungen Müttern die neuen Systeme zeigt. Barbara Mayer Und wie steht es nun wirklich um die Ökobilanz einer „Waschwindel“? Neben all dem Müll, der hier nicht anfällt, haben es Eltern hier selbst in der Hand, Energie zu sparen, indem sie nicht mit halb vollen Trommeln Wäsche waschen – Auskochen ist ohnehin nicht nötig – und auf Trockengeräte generell verzichten. Was Sie über Wegwerfwindeln wissen sollten Anbieter von Wegwerfwindeln versprechen teilweise bis zu 12 Stunden Trockenheit oder „sagenhaft saugende“ Windeln. Die Stiftung Warentest ging der Sache nach und prüfte 10 Einwegwindeln der am meisten gekauften Größe 4 auf Trockenhaltedauer, Schadstoffe und „Gefühl auf der Haut“. Am Ende bekamen zwei Pampers-Modelle ein „Sehr Gut“: Premium Protection und Baby Dry. Vier Modelle waren „gut“, drei „durchschnittlich“, eines „weniger zufriedenstellend“. Zur enormen Saugkraft von Wegwerfwindeln, durch die Babys ständig trocken liegen, merken Stoffwindel-Expertinnen an, dass sich dadurch die durchschnittliche Wickeldauer pro Kind verlängert: „Waren es früher einmal maximal drei Jahre, eher weniger, bis ein Kind trocken war, werden Kinder mittlerweile teilweise bis zum Schuleintritt zumindest nachts noch gewickelt. Das liegt freilich im Interesse der Produzenten.“ Superabsorber und Schadstoffe Wichtigster Bestandteil der Wegwerfwindel ist der Saugkern, der mit einem sogenannten Superabsorber gefüllt ist – einem Kunststoff, der das Vielfache seines Eigengewichts an Flüssigkeit saugen und speichern kann. Vor zwei Jahren sorgte eine Studie der französischen Umweltschutzbehörde für Aufsehen, die in Wegwerfwindeln für Babys polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe und Dioxine entdeckt hat. Die Stiftung Warentest prüfte die Windeln folglich auch auf eine Vielzahl von Schadstoffen. Das Resultat: „Kein einziges Produkt setzte kritische Schadstoffgehalte frei.“ Bei Stoffwindeln muss man über dieses Thema freilich gar keine Gedanken machen. Die genauen Testergebnisse finden sich in der Zeitschrift „Konsument“.